Z! DAS ZUKUNFTSMAGAZIN IM INTERVIEW MIT Prof. Dr. Jochen Basting, Innovation Manager bei Erbacher  – the food family


Erbacher – the food family ist ein mittelständisches Unternehmen in Kleinheubach. Innovation wird in diesem Unternehmen großgeschrieben, eine eigene Abteilung Innovation Management sorgt für den strukturierten und fokussierten Umgang mit Ideen, um das Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen. 

 

Herr Prof. Basting, welche Bedeutung messen Sie Innovationen im Mittelstand generell zu?
Ob man es VUCA oder BANI nennt, die Märkte und die Arbeitswelt sind im Wandel. Unternehmen müssen sich anpassen, um zukunftsfähig zu sein, und das, ohne genau zu wissen, wohin die Märkte sich – oft ja auch kurzfristig – entwickeln. Innovationen zeugen dabei von der Bereitschaft für Veränderung. Menschen müssen dazu über den Tellerrand schauen und ihre Komfortzone verlassen. Es ist also auch eine Kulturfrage, wie der Mittelstand mit Innovationen umgeht, und sicher auch spielentscheidend, um erfolgreich im Markt zu bleiben.

Was sind die wichtigsten Treiber für Innovation?
Ganz klar der Wandel. Unternehmen stehen unter einem enormen Anpassungsdruck: sowohl technologisch als auch von Seiten der Verbraucher. So gibt es ständig neue Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen. Und natürlich setzt auch der Wettbewerb Impulse für Innovationen.

Welchen Stellenwert hat Innovation bei Erbacher – the food familiy?
Bei Erbacher – the food family ist das Innovationsmanagement hoch aufgehängt. Es gibt eine eigene Abteilung, das Innovation Management, mit Menschen, die sich ausschließlich diesem Themenfeld zuwenden können. Und je nach Idee und Status der Entwicklung einer Innovation kommen projektweise Mitarbeitende aus anderen Fachabteilungen dazu. Da steckt schon eine entsprechende (Wo)Manpower drin. Das ist in einem mittelständischen Unternehmen nicht selbstverständlich.

Welche Ziele werden bei Erbacher mit Innovationsmanagement verfolgt?
Einerseits sollen mit Blick auf die Zielgruppen ganz konkret marktfähige Produkte und Dienstleistungen entwickelt werden. Dabei geht es darum, die richtigen Ideen zu erkennen und schnell in die Umsetzung zu bringen und auf der anderen Seite, Ideen mit wenig Potenzial frühzeitig zu filtern. Andererseits soll über das Innovationsmanagement die Bereitschaft und Fähigkeit für Veränderungen im Unternehmen gestärkt, also ein Kulturwandel angestoßen werden.

Wie ist Innovation in der Organisation verankert?
Die Geschäftsleitung steht hinter der Entscheidung für eine Abteilung Innovation Management. Das nutzt aber nur, wenn das Konzept über die Abteilungsgrenze hinaus bekannt ist. So sind wir regelmäßig im Austausch mit dem Führungskreis und auch am Standort Kleinheubach intern gut vernetzt mit den Fachabteilungen. Das ist insofern wichtig, da es beim Facettenreichtum des Tätigkeitsfeldes der food family die Marktexpertise der Fachabteilungen unbedingt braucht.

Wie wird intern das Thema Innovation kommuniziert? Wie wird sichergestellt, dass alle 800 Mitarbeitenden – auch die in den Niederlassungen – an Innovationsprozessen teilnehmen können?
Es ist natürlich wichtig, Menschen im Unternehmen „abzuholen“ und „mitzunehmen“.  Wir haben dazu unterschiedliche Plattformen und Formate entwickelt, mit denen wir Führungskräfte und Mitarbeitende regelmäßig informieren und Ideen zur Diskussion stellen. Zum Beispiel führen wir regelmäßig InnoDays durch, zu denen neben den Führungskräften alle Interessierten hinzustoßen dürfen. Wir versuchen so viel Transparenz wie sinnvoll zu schaffen und natürlich ist es am Standort Kleinheubach etwas einfacher. Wir sind jedoch auf einem guten Weg, auch mit denjenigen, die an den weiteren Standorten arbeiten, in den Austausch zu kommen. In einigen konkreten Projekten klappt das schon sehr gut.

Welche Rolle spielen Open Innovation Prozesse?
Selbstverständlich beziehen wir in unsere Innovationsprozesse Meinungen und Ideen von außen ein. Verschiedene Kundengruppen, z. B. Landwirte, aber auch Lieferanten kommen da zu Wort. Wir arbeiten unter anderem mit Interviews, Befragungen, Beobachtungen, Panels etc., um möglichst in frühen Phasen wertvolle Impulse oder Feedback zu erhalten. Wo liegen Herausforderungen? Ist das Nutzenversprechen nachvollziehbar? Ist das Produkt für Mensch und Tier ein Gewinn?  

Welcher Hilfsmittel bedienen Sie sich im Innovationsmanagement?
Zunächst ist die Idee im Kopf. Schnell merkt man, dass es schwierig ist, die Idee anderen nur mit Worten nahezubringen. Es gibt einige Tools und Techniken, die wir daher standardmäßig einsetzen. Beispielsweise nutzen wir eine Reihe von Canvas-Tools, wie das Business Model Canvas oder das Value Proposition Canvas, um die Ideen zu strukturieren und gleichzeitig zu visualisieren. Diese Tools machen eine Idee beschreibbar und greifbar und ermöglichen den fokussierten Dialog mit den Zielgruppen. Die Gegenüberstellung von Produkteigenschaften und Kundenwünschen zeigt bspw. schnell, wie „Gains“ und „Pains“ zusammenpassen und Kundenprobleme lösen können. In unseren Ansätzen betrachten wir aber auch regelmäßig die Wettbewerbssituation und das allgemeine Marktumfeld. Das ist zwar nicht Standard in den Tools, jedoch ein wichtiger Faktor in der Bewertung von Ideen.

Die Canvas unterstützen also vor allem in der Anfangsphase. Welche Tools nutzen Sie im späteren Verlauf?
Auf Basis der Canvas Ansätze geht es danach ins weitere Prototyping und Testing: Ist die Idee etwas gereift, setzen wir auch gerne auf Minimal Viable Products (MVPs), also Prototypen, die wir in mehreren iterativen Schleifen im Marktumfeld testen. Oder wir holen uns in sogenannten Usability Tests auch Feedback beispielsweise zur Webseite oder anderen digitalen Produkten. Dieses Feedback nutzen wir dann zu Optimierungen, um den Prozess weiter voran zu treiben.  

Wie viele Ideen braucht es für einen großen Wurf?
Das lässt sich leider so nicht sagen. Tendenziell braucht es tatsächlich schon eine größere Menge an Ideen, um eine wirklich gute zu identifizieren und zum Erfolg zu führen. Viele Ideen scheitern schon recht früh, andere schaffen ein paar Runden, bevor sie „nicht fliegen“. Bei uns werden die Ideen in den verschiedenen Stadien ständig auf ihre Erfolgspotenziale und Risiken vor dem Hintergrund des Kundennutzens evaluiert und mit den Marktanforderungen abgeglichen.

An welchen Stellen/in welchen Bereichen wird bei Erbacher innoviert?
In unserem Bereich geht es vor allem um Produkte und Dienstleistungen, wir fokussieren also immer auf den Kunden. In anderen Unternehmensbereichen sind natürlich auch Prozessinnovationen ein Thema. Dabei sind wir auch offen für die Nutzung von Künstlicher Intelligenz, beispielsweise zur Datenanalyse. Hier sind wir unter anderem im Austausch mit Hochschulen, stehen aber zugegebenermaßen noch am Anfang

Nachhaltigkeit ist ein großes Thema bei Erbacher – ein Feld, in dem es viel Raum für Innovationen gibt. Was sind da aktuelle Projekte?
Den größten Wirkungsgrad können wir aktuell mit Produktinnovationen erreichen, die einen drastisch reduzierten CO2-Fußabdruck haben. Dies wären im Pet-Bereich fleischfreie Produkte, die dem Kunden und dem Tier aber die gleiche Nutzenerfahrung wie konventionelles Futter bieten. In der Agrarsparte können wir in der Milchwirtschaft das von den Kühen emittierte CO2 und Methan pro Liter Milch durch spezielle Wirkstoffkomplexe in Futterbeigaben verringern. Gleichzeitig setzen wir uns aber auch dafür ein, Micro-Business-Modelle, die auf Nahrungsmittelherstellung fußen, zu entwickeln, mit denen wir die Einkommenssituation in Ländern der Subsahara-Region verbessern.

Herzlichen Dank für das interessante Gespräch und weiterhin viel Erfolg beim Innovieren bei Erbacher – the food family.


Das Interview führte Katja Leimeister, approdos consulting


Kontakt

Prof. Dr. Jochen Basting
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