Z! DAS ZUKUNFTSMAGAZIN IM INTERVIEW MIT Joachim Kraft

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Joachim Kraft 

visalvis GmbH 

Die visalvis GmbH ist für gewerbliche Kunden Ansprechpartner für Fragen rund um Energieeffizienz und Energiemanagement. Der Geschäftsführer Joachim Kraft ist unter anderem Lead Auditor für die DIN EN ISO 50001, BAFA-Energieexperte für die Mittelstandsprogramme und führt unter anderem Energie-Audits nach der DIN EN 16247-1 durch.

 

Z! Das Zukunftsmagazin hat mit Herrn Kraft über Effizienzklassen, Herausforderungen bei der Durchführung von Energieaudits und die aktuellen Fördermöglichkeiten für Unternehmen, die ihren Beitrag zur Energiewende leisten möchten, gesprochen.

 

Herr Kraft, der technische Fortschritt ist sicher immens in diesem Bereich: Was gilt heute als energieeffizient?

Natürlich ist der Fortschritt groß und es gilt, den Überblick zu behalten, was wirklich energieeffizient und

sinnvoll ist. Ein guter Ansatz ist, fossile Energieträger zu ersetzen, also alles – wo es sinnvoll ist – was mit

Diesel, Heizöl oder Erdgas betrieben wird, auf stromgeführte Systeme umzustellen. Die Wärmepumpe ist

dafür das prominenteste Beispiel. Und die Entwicklung steht hier nicht still: Inzwischen gibt es auch hybride

Heizungen.

 

Viele fangen verständlicherweise mit den „low hanging fruits“ an: Sie mindern ihre Energieverbrauch zum Beispiel durch sparsame LED-Beleuchtung. Doch das ist erst der Anfang: Die Umstellung muss durch

alle Bereiche gehen, also durch die gesamte Produktion, die Büros, Heizung, Lüftung, Klima etc.

 

Welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung?

Eine große. Darüber kann eine Menge Energie eingespart werden. Wenn eine Maschine, eine Heizung, eine Lüftung etc. nur dann läuft, wenn sie wirklich gebraucht wird, ist schon viel gewonnen. Intelligente Steuerungen, die sich beispielsweise auf den Schichtbetrieb programmieren lassen, können hier eingesetzt werden. Oder wenn mittels Sensoren der Wärmeeintrag reduziert wird, weil die Jalousien automatisch geschlossen werden, kann die Klimaanlage deutlich entlastet werden. Was als Smart Home Lösung bekannt ist, funktioniert zum Teil auch im Unternehmen. Aktives Energiemonitoring ist auch vom Staat bezuschusst.

 

Gibt es in industriellen Maschinen und Anlagen vergleichbare Einstufungen wie Triple A bei weißer Ware? Wie können sich industrielle EinkäuferInnen hier informieren?

Natürlich sind Verbrauchsdaten eine wichtige Information für EntscheiderInnen. Für Motoren, Pumpen, Antriebe u. ä. gibt es transparente Effizienzklasseneinteilungen. Wenn diese Gerätschaften derzeit in der Effizienzklasse 4 oder 5 angeboten werden, sparen sie gegenüber älteren Modellen der Klassen 2 oder 3 meist schon rund 30 % ein. Auch wenn die Geräte vielleicht etwas mehr in der Anschaffung kosten, rechnet sich das schnell für das Unternehmen, denn die Betriebskosten für Energie gehen in die Kaufentscheidung natürlich ein. EinkäuferInnen informieren sich hier über die einschlägigen Beschaffungsportale und sind entsprechend gut informiert. BAFA-Zuschüsse sollten stets auch in Betracht kommen.

 

Was sind die größten Treiber für Unternehmen hinsichtlich Energieeffizienz?

Viele Unternehmen zeigen aktuell eine hohe Motivation, die Transformation anzugehen. Das ist zum einen kostengetrieben, da Energie so teuer geworden ist, es ist aber auch ein Stück weit die Einsicht, dass man die Umwelt nicht auf Dauer so sehr belasten kann. Im Fokus der Unternehmen stehen dabei die Scope1 und 2, um die Treibhausgasbilanz zu verbessern, da die Scope 3 sich erst mal der eigenen Gestaltung entzieht bzw. auch schwer und aufwändig zu erfassen sind.


Treibhausgasbilanz

Das GHG Protocol gilt als der verbreitetste Standard zur Erstellung von Treibhausgasbilanzen. Hierbei werden die sogenannten Scopes 1-3 erfasst.

 

  • Scope 1 - alle direkten, d. h. aus Quellen innerhalb der Grenzen stammenden, Emissionen.
  • Scope 2 - die indirekten Emissionen aus außerhalb erzeugtem und eingekauftem Strom, Dampf, Wärme und Kälte.
  • Scope 3 - alle sonstigen indirekten Emissionen, darunter die aus der Herstellung, Transport eingekaufter, Güter oder Verteilung und Nutzung der eigenen Produkte oder der Entsorgung von Abfällen; auch Emissionen aufgrund von Geschäftsreisen gehören hierzu.

Mit den durch das EU-Parlament verabschiedeten, sogenannten ESG-Kriterien wird das Thema Energieeffizienz auf kurz oder lang auch über die Banken mittels Ratingfaktoren auf die Unternehmen zukommen. Im Ausland ist man teilweise schon etwas weiter, sodass insbesondere internationale Investoren bereits jetzt enormen Druck auf ihre Beteiligungen ausüben. Und auch Verbraucher sind sensibilisiert und fragen bei Unternehmen nach deren Umweltbilanz. Entsprechend zahlt Energieeffizienz auch auf das Image eines Unternehmens ein.

 

Gerade im Bereich der Bestandsimmobilien liegt ein enormes Potenzial für Energieeffizienz. Wie geht man da als Unternehmen idealerweise vor?

Als Mieter ist das erst mal schwierig, da dies in der Verantwortung des Gebäudeeigentümers liegt. Es ist

richtig, dass hier enorme Potenziale ungenutzt sind. Hintergrund ist, dass die energetische Ertüchtigung

von Gebäuden große Investments erfordern, die mit Amortisationszeiten von vielen Jahrzehnten verbunden

sein können. Dazu sind viele Eigentümer nicht bereit. Bezüglich energetischer Gebäudesanierung verweisen wir auch generell auf Fachkollegen, da dieses Segment – geregelt in der DIN 18599 – nicht in unserem unternehmerischen Beratungsfokus liegt.

 

Wie können Sie Unternehmen bei ihrem Weg zu mehr Energieeffizienz unterstützen?

Unser Portfolio für Unternehmen ist hier breit aufgestellt. Egal ob hinsichtlich Umweltmanagement (ISO 14001), Energiemanagement (ISO 50001) oder integriertes Umwelt- und Energiemanagement – wir können den Unternehmen bei der Einführung und der kontinuierlichen Weiterentwicklung dieser Systeme mit unserer Expertise zur Seite stehen. Auch das Energieaudit (DIN EN 16247-1), das Nicht-KMU verpflichtend durchführen müssen, gehört zu unserem Beratungskontext. Ansonsten unterstützen wir Unternehmen auch zu den Fördermaßnahmen der BAFA Module 1-5, bis hin zur Transformation, die aktuell mit bis zu 80.000 € bezuschusst wird.

 

Wie läuft ein Energieaudit ab? Was sind die typischen Schritte?

Der Ablauf ist im Leitfaden der BAFA definiert. Nach einem Auftaktgespräch werden Begehungstermine durchgeführt. Hierbei werden alle Verbraucher energetisch aufgenommen – von der Kaffeemaschine bis zur Produktionsanlage. Unternehmen mit mehreren Standorten oder Filialen können in regionale Cluster und Standorte mit vergleichbarer Nutzung eingeteilt werden. Dann dürfen mit einem Matrixverfahren und der sogenannten Wurzelmethode ein Teil der Standorte hochgerechnet werden, sofern keine gemessenen Leistungen vorhanden sind. Bis zum fertigen Bericht vergehen oft einige Wochen, da von den Energieversorgern Daten angefordert und dann ausgewertet werden müssen. Im Bericht finden

sich dann Soll-Ist-Aufstellungen und Vorschläge für Maßnahmen, wie der Sollzustand erreicht werden

kann.

 

Energiesparen ist gerade in Zeiten von Knappheit und Klimakrise auch in der Politik ein großes Thema. Wie motivieren Bund und Länder die Unternehmen zu mehr Energieeffizienz?

Seit vielen Jahren gibt es unterschiedliche Förderprogramme bei der BAFA, der KfW und diverse Landesprogramme. Die Politik drängt hier die Industrie zu handeln. Ab einem Verbrauch von 500.000 KWh muss zum Beispiel ein Energieaudit gemacht werden. Neben anteiligen Zuschüssen für die Investitionen werden von der BAFA auch Belohnungen ausgezahlt: je eingesparte Tonne CO2 erhält ein Unternehmen je nach Größe 500 oder 900 Euro einmalig (Modul 4).

 

Die Region Bayerischer Untermain ist industriell geprägt, immer noch ein großer Anteil an Unternehmen ist dem sekundären, also dem produzierenden Sektor zuzurechnen. Sehen Sie da großes Potenzial für Energieeffizienz?

Auf jeden Fall. Die hiesige Wirtschaft hat hier zum Teil noch einen langen Weg vor sich und wir begleiten sie gerne bei der Transformation. Neben den produzierenden Unternehmen sind für uns auch die vielen Logistikunternehmen von Bedeutung, die ihre Mobilität zum Beispiel auf einen elektrisch- oder wasserstoffangetriebenen Fuhrpark umstellen. Dabei spielen die aktuell hohen Energiepreise der Transformation in die Hände: Maßnahmen rechnen sich schneller und werden daher auch überzeugt angegangen.

 

Was schätzen Sie als Unternehmer an der Region Bayerischer Untermain?

Neben der Tatsache, dass wir zentral in Deutschland angesiedelt sind, ist vor allem das unternehmerische

Netzwerk und das gute Miteinander ein Pluspunkt. Es gibt wirklich viele gute Angebote von den Kammern

und Verbänden. Mit der TH Aschaffenburg ist auch der Studiengang Energiemanagement direkt vor unserer Tür, – eine Möglichkeit junge Menschen für unser Unternehmen via Praktika, Werkstudententätigkeit etc. zu begeistern. Wir arbeiten sehr gerne regional und damit nachhaltig.

 

Herzlichen Dank, Herr Kraft, für das interessante Gespräch und weiterhin viel Erfolg!

 

Das Interview führte Katja Leimeister,

approdos consulting

Ansprechpartner

Joachim Kraft | Geschäftsführer

visalvis GmbH | Aschaffenburg

Joachim.Kraft@visalvis.de

www.visalvis.de