Im Interview: Prof. Dr. Martin Bastian

Institutsdirektor SKZ - Das Kunststoffzentrum

Wie positioniert sich das SKZ in der Welt der Kunststoffindustrie?
Das SKZ versteht sich als weltweit führender Dienstleister für die Kunststoffindustrie, der alle wichtigen Aspekte abdeckt, die für einen kunststoffverarbeitenden Betrieb von Bedeutung sind. So führen wir z.B. Entwicklungsprojekte durch, helfen bei der Steigerung der Produktionseffizienz, machen Bauteilprüfungen und -überwachungen und zertifizieren Produkte und Unternehmen. Jeder kunststoffverarbeitende Betrieb in Deutschland ist auf hochwertige Produkte und optimale Produktion angewiesen. Hierbei spielt das SKZ eine wichtige unterstützende Rolle. 

 


 Ein weiteres zentrales Element im Spektrum des SKZ nimmt die Weiterbildung von Fach- und Führungskräften ein. Alle Unternehmen benötigen qualifiziertes Personal, um ihr hohes Niveau halten zu können. Lebenslanges Lernen ist weit mehr als ein Schlagwort, es ist eine echte unternehmerische Daueraufgabe. Bislang haben wir in Zusammenarbeit mit der IHK 3.000 Meister ausgebildet und führen jährlich mehr als 650 spezifische Weiterbildungsveranstaltungen durch. Hierbei ist von hoher Bedeutung, dass wir nicht nur am runden Tisch diskutieren, sondern auch direkt an den Maschinen arbeiten, so dass das erarbeitete Verständnis und Prozess-Know-how unmittelbar direkt im Betrieb genutzt werden kann. Wenn gewünscht, machen wir die Weiterbildungen auch direkt im Betrieb.
Von der Praxisnähe des SKZ profitieren die Unternehmen auch bei Zertifizierungen, da unsere Auditoren,
die teils aus dem SKZ und teils von extern kommen, ausgewiesene Fachexperten sind. Gerne
arbeiten wir mit Teams aus internen und externen Experten, was die Aktualität auch unseres Wissens
weiter schärft. Unser Anspruch ist, um es zusammenzufassen: Das SKZ will der Ansprechpartner für
kunststoffverarbeitende Unternehmen sein. 

 

Was sind typsiche Branchen für die das SKZ tätig ist? 

Wir haben keine eindeutige Zuordnung zu den klassischen Branchenaufteilungen. Unsere Kunden sind alle Unternehmen, die Kunststoffe herstellen, verarbeiten, anwenden oder auch Maschinen und Anlagen dafür produzieren. Zu nennen sind insbesondere die Automobilindustrie, der Bau, die Verpackung, die Medizintechnik, die Spielzeuge und die Konsumgüter. Ihr breites Spektrum befähigt Sie gewiss, wichtige langfristige Trends sehr früh zu erkennen und aktiv anzugehen. Welche wichtigen Trends sehen Sie? Als andauernden Trend sehe ich die Veränderung der Fertigungsprozesse hin zu individualisierten Produkten. Der Trend geht auch klar zum 3D-Druck, der sich sehr stark entwickelt und in fünf Jahren noch sehr viel mehr abdecken wird, als es heute der Fall ist. Der große Nutzen des 3D-Drucks liegt darin, individualisierte Produkte oftmals viel leichter als mit bisherigen Verfahren herzustellen oder überhaupt herstellen zu können. Dank des 3D-Drucks ist man nicht mehr formgebunden und kann Geometrien nahezu vollkommen frei wählen. Auch für Ersatzteillieferungen, die häufig bis zu 20 Jahre garantiert werden müssen, verspricht das enorme Einsparungspotenziale, wenn man nicht mehr Spritzgießformen über viele Jahre warten, vorhalten, einbauen und den ganzen Spritzgießprozess nur für ein paar wenige Ersatzteile einfahren muss.
Wirtschaftlich ist das bisherige Vorgehen extrem unattraktiv – 3D-Druck verschafft hier gerade bei einer
stark steigenden Variantenvielfalt neue Potenziale. Die Verfahren sind zwar allesamt vergleichsweise
langsam, aber für Kleinserien oder Ersatzteile, insbesondere wenn die Teile nicht allzu groß sind, sehr gut geeignet. Großunternehmen haben unserer Erfahrung nach die notwendigen technischen Möglichkeiten häufig schon heute im Haus, da sie in der Regel ihre Prototypen bereits so fertigen – bei kleinen und mittleren Betrieben ist das anders, aber diese können auch in dieser Hinsicht mit dem SKZ zusammenarbeiten. Ein wichtiger Langfristtrend ist natürlich auch Industrie 4.0. Noch verschlafen viele diesen Trend, weil sie davon ausgehen, dass es derzeit noch zu früh ist. Man darf aber nicht vergessen, dass die Digitalisierung der Wirtschaft, an deren Ende eine „Industrie 4.0-Welt“ steht, ein langer Weg ist und man früh loslaufen sollte, wenn man zu den Profiteuren zählen will.


Wie stellen Sie sich eine perfekte Industrie 4.0-Welt vor?
Ein zentrales Charakteristikum einer Industrie 4.0-Welt wird eine transparente Produktion sein, die eine virtuelle Abbildung, einen digitalen 1:1-Schatten hat. Das zu erreichen heißt, wirklich dicke Bretter zu bohren. Die Entwicklungsstufe, die ich danach sehe, ist die einer reaktionsfähigen Fabrik, die sich selbst auf veränderte Rahmenbedingungen oder Kundenforderungen einstellt. Ob wir irgendwann dahin kommen, dass sich Fabriken selber steuern oder gar in der Lage sind, lernfähig zu sein und die Bedarfe von Kunden und zukünftig zu erwartenden Einflüssen vorherzusehen, ist schwer abzusehen. Also, über Transparenz kommen wir zu Reaktionsfähigkeit und darüber zur Selbstregelung und dann sehen wir weiter. Ich sage, dass dieses Brett besonders dick zu bohren ist, weil wir in unseren Betrieben und Systemen hoch effiziente, aber vergleichsweise starre Systeme haben.


Das klingt recht abstrakt. Können Sie hierzu vielleicht ein paar Beispiele geben?
Welche Möglichkeiten in jedem einzelnen Fall bestehen, hängt stark vom jeweiligen Produkt und der benötigten Qualität sowie Stückzahl ab. Hier ist Kreativität gefragt und jeder sollte sich fragen, ob er bei neuen Produktions- oder Vertriebswegen zu den Gewinnern oder Verlieren gehört. Nehmen wir das
Beispiel eines Herstellers von Schreibstiften. Einer der am Markt bekannten Anbieter ermöglicht es den
Käufern, die Kugelschreiber individuell herstellen und gestalten zu lassen. Für den Konsumenten ist
das angenehm und auch einfach, für den Händler ist das unangenehm, weil er aus der Lieferkette
herausfällt. Die Marge, die bislang auf den Händler entfallen ist, verbleibt beim Hersteller oder wird als
finanzieller Vorteil an den Käufer weitergegeben. Solche Konzepte funktionieren aber nicht überall;
bei Standardkunststoffrohren für die Trinkwasserversorgung z.B. wird es schwer, in derartigen Konzepten
zu denken und diese umzusetzen, aber auch hier schlummern enorme Potenziale, z.B. in der
Integration von Sensorik zur weiteren Qualitätsverbesserung, der Optimierung der Wirtschaftlichkeit
oder in Geschäftsmodellen, die teilweise weit über den einfachen Verkauf von Standardkunststoffrohren
hinausgehen.


Als Megatrends sehen Sie also Individualisierung, Personalisierung und Digitalisierung?
Ja, es gibt aber noch einen weiteren Trend, der nicht ganz so neu, aber dennoch hochaktuell ist. Ich rede

vom Leichtbau, der beispielsweise eine wichtige Möglichkeit dafür bietet, unsere Mobilität emissions-
und verbrauchsärmer zu machen. Eine wichtige Anforderung hierbei ist, dass die Herstellungsprozesse
sehr schnell sein müssen, wenngleich es bei Elektroautos aktuell auch Modelle gibt, bei denen
die Herstellung der Karosserie mittels Weben bislang einen Tag dauert. Allgemein bieten Kunststoffe
die Möglichkeit für sehr nachhaltige Produkte. Die Nachfrage nach Kunststoffen in neuen Anwendungen
steigt daher laufend und konstant an.


Was sind die großen Forschungsthemen der Zukunft?
Die großen Forschungs- und Innovationsthemen ergeben sich u.a. aus den Megatrends, die wir
diskutiert haben. Es sind vor allem Themen aus dem Bereich der Industrie 4.0, der additiven Fertigung
mittels 3D-Druck sowie Aspekte wie die Integration von Messtechnik und Sensorik in Bauteile, damit sie
in einer digitalen Welt kommunizieren können und vernetzt werden können. Daneben gibt es Trends hin
zu innovativen Materialien, z.B. für den Leichtbau, neue Anwendungen oder ganzheitlich nachhaltigen
Produkten oder Prozessen.


Wie sind Ihre Erfahrungen bei der Nutzung von Fördermitteln für F&E-Projekte?
Projektbezogene Fördermittel der öffentlichen Hand für vorwettbewerbliche Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sind für unsere mittelständischen Kunden sehr wichtig. Wir selber als SKZ benötigen für anstehende große Aufgaben bei der strukturellen und inhaltlichen Bewältigung neuer Herausforderungen wie der der Digitalisierung auch Fördermittel der öffentlichen Hand. Eine Problematik, die uns als eigenfinanziertes Institut im Gegensatz zu staatlichen Einrichtungen großer Forschungsgesellschaften betrifft, ist, dass Förderprojekte immer unterfinanziert sind und für uns – im Gegensatz zu staatlichen deutlich stärker durchfinanzierten Instituten – ein erheblicher Wettbewerbsnachteil erwächst. Wir können den in der Regel durch unsere starke Wirtschaftsorientierung wettmachen, aber dennoch muss ich einen staatlich offensichtlich gewollten Wettbewerbsnachteil des SKZ festmachen. Ich beklage mich nicht, ich stelle nur etwas Grundsätzliches fest, unabhängig davon, dass wir in Einzelfällen staatliche Förderung bekommen. 


Einer dieser Einzelfälle ist die Errichtung einer Modellfabrik für Kunststoffteileproduktion. Hierfür bekommen Sie Fördermittel?
Ja, genau, wir wollen und müssen ein Umfeld schaffen, bei dem der kunststoffverarbeitende Mittelstand
die Möglichkeit erhält, sich auf den digitalen Strukturwandel einzustellen. Wir rechnen mit Kosten in Höhe von 25 Mio. €. Die Modellfabrik wird gemäß den Tätigkeiten, die dort ausgeübt werden sollen, strukturiert, wobei wir die Förderrahmenbedingungen abbilden müssen. Der Teil, in dem nicht gewinnorientierte Arbeiten durchgeführt werden, muss getrennt werden von dem Teil, in dem gewinnorientierte Arbeiten ausgeführt werden. Das erhöht den Investitions- und Betriebsaufwand, ist aber notwendig aufgrund der Förderbedingungen. Als Ergebnis werden die mittelständischen kunststoffverarbeitende Betriebe eine reale Umgebung mit realen Maschinen haben, in der sie eine digitale, vernetzte und virtuell gespiegelte Produktion erleben und erproben können und die uns als SKZ entsprechend unserer Position am Markt, die wir eingangs besprochen hatten, befähigt, den digitalen Strukturwandel in unserem Wirkbereich mitzugestalten.

 

Wie offen und wie vorbereitet auf einen digitalen Strukturwandel sind aus Ihrer Sicht gerade die mittelständischen Betriebe?
Die großen Unternehmen sind alle schon auf dem Weg, haben eigene Kompetenzen und Strukturen
aufgebaut oder arbeiten daran. Kleine Unternehmen sind fast alle noch ganz weit weg von diesen
Gedanken. Im Mittelstand schätze ich, dass sich ungefähr 10 % ernsthaft mit diesen Fragen befassen.


Das SKZ ist seit kurzem auch am Bayerischen Untermain auf dem Gelände des Industrie Centers
Obernburg vertreten. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Ja, das SKZ hat unlängst die „ASO Analytik Service Obernburg“ erworben. Dies war und ist sinnvoll,
weil das Portfolio der ASO komplementär und synergistisch zu dem des SKZ ist. Wir am SKZ haben
ein sehr breites Spektrum an zerstörenden Prüfverfahren, insbesondere zum Langzeitverhalten unter
Umwelteinflüssen, das ASO hingegen ist spezialisiert auf ergänzende physikalische und chemische
Analytik. Am SKZ betrachten wir z.B. Bulk Material aus der Bauindustrie, für die wir Witterungs- und
Lebensdaueruntersuchungen machen. ASO hingegen hat großes Know-how bei Garnen und hat breiten Zugang zu Branchen, in denen diese Garne verwendet werden, z.B. für Airbags, für Fahrzeugreifen oder Sicherheitsgurte. Synergistisch sind wir auch bei der apparativen Ausstattung und vor allem dem Know-how, diese hoch komplexen Analytik-Apparaturen bedienen und verstehen zu können. Dies ist die Voraussetzung dafür, dem Kunden nicht nur ein Messergebnis, sondern eine Bewertung und Interpretation, auch z.B. im Hinblick auf etwaige Fehlerquellen oder Verbesserungspotenziale im Herstellungsprozess geben zu können.


Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen?
Die Mannschaft der ASO ist extrem professionell und fachlich sehr qualifiziert. Man spürt bei jedem

Einzelnen die langjährige Erfahrung und Professionalität bei der Bearbeitung von teilweise hochkomplexen
Fragestellungen an. Ich sehe hier auch große Potenziale darin, unsere Tätigkeiten im Bereich der
Weiterbildung von Fachkräften weiter auszubauen. Zusammenfassend kann ich sagen, dass unsere
Erfahrungen hervorragend sind und wir gemeinsam bereits neue, sehr interessante Aufträge akquiriert
haben.


Herr Prof. Bastian, ich danke Ihnen für das Gespräch. 

 

Das Interview führte Dr. Gerald Heimann - ZENTEC GmbH

 

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