Absicherung von Herstellungsprozessen für Automobile Interieur-Bauteile aus Kunststoff

In den letzten Jahren hat die Bedeutung von Kunststoffbauteilen im Fahrzeug-Innenraum stetig zugenommen. Dies ist auf gesetzliche Vorgaben und systematische Gewichtsreduzierungen zur Effizienzsteigerung zurückzuführen. Im nachfolgenden Artikel werden ausgewählte Methoden zur Absicherung von Produkt und Prozess aufgezeigt - hierbei wird vorausgesetzt, dass der grundsätzliche Herstellungsprozess für Kunststoffbauteile bekannt ist.

 

Produktvalidierung
Um die Bauteilqualität von Kunststoffbauteilen im Innenraum von PKWs abzusichern, werden von
den Automobilherstellern diverse Prüfverfahren im Rahmen der Produktvalidierung vorgeschrieben.
Mit Hilfe dieser Prüfungen soll die tatsächliche (Ab-)Nutzung und Beanspruchung der Bauteile durch
den Fahrzeuginsassen simuliert und mögliche Schwachstellen identifiziert und behoben werden. 
Zielsetzung der Produktvalidierung ist eine möglichst präzise Prognose über die Lebensdauer des
Bauteils.


Durch eine systematische Analyse der möglichen Einflussgrößen auf die Komponente und die vollständige Definition der Produkteigenschaften ergeben sich unter anderem folgende Tests:
• Mechanische Tests (z.B. Abriebprüfungen, Fingernagel-und Schuhsohlentest, Falltests, Vibration)
• Klimatische Tests (z.B. Klimawechseltest, Sonnensimulation, Wärmealterung)
• Beständigkeitstests (z.B. Reinigungs-, Pflegemittelbeständigkeits- und Sonnencreme-Test)

 

Anhand einer so genannten Weibull-Kurve wird die Ausfallwahrscheinlichkeit im Zeitverlauf dargestellt und zeigt somit auf, nach welcher Nutzungsdauer die Produkteigenschaften (z.B. Farbe, Glanzgrad, Narbung) voraussichtlich nicht mehr garantiert werden kann.

 

Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse
Ein präventives Instrument zur Absicherung eines Kunststoffspritzgussprozesses ist die Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA). Ab der Entwicklungsphase werden sowohl produkt- als auch prozessbezogene Fehlermöglichkeiten in einem interdisziplinären Team identifiziert, hinsichtlich
Risiken bewertet und priorisierte Maßnahmen zur Risikominimierung definiert. Die wohl häufigsten Fehlerursachen in der Praxis sind ungeeignete Parametereinstellungen im Trocknungs-, Einstell-, und Spritzgussprozess (z.B. Nachdruck, Werkzeugtemperatur, Geschwindigkeit der Schnecke). Um einen robusten Produktionsprozess zu erreichen, ist es somit notwendig, die Fehlermöglichkeiten zu kennen und zu vermeiden.


VDA4 6.3 Prozessaudit
Bereits in der frühen Phase der Produkt- und Prozessentwicklung können Entwicklungs- und Herstellungsprozesse mit Hilfe des Prozessaudits gemäß dem VDA 6.3-Standard bewertet und verbessert
werden. Durch eine systematische Betrachtung  untenstehender Teilbereiche werden Verbesserungspotentiale aufgezeigt:
• Projekt- und Lieferantenmanagement
• Planung und Realisierung der Produkt- und Prozessentwicklung
• Prozessanalyse / Produktion
• Kundenbetreuung, -zufriedenheit und Service


Produkt- und Prozessfreigabe
Zur finalen Serienfreigabe durch den OEM wird zumeist auf Basis des VDA Band 2 eine Produkt- und
Prozessfreigabe durchgeführt. Ein Erstmusterprüfbericht (EMPB) dokumentiert die Einhaltung der
Produktspezifikationen.


Die wichtigsten Inhalte eines EMPB sind:
• Geometrie und Maßprüfung
• Funktionsprüfung und Werkstoffprüfung inkl. Materialdatenblatt
• Haptik-, Akustik- und Geruchsprüfungen
• Aussehens- und Oberflächenprüfungen
• Zuverlässigkeitsprüfungen und Prozessfähigkeitsnachweis
• Bauteilmuster
• Technische Spezifikationen und Konstruktionsfreigabe
• Prozessablaufdiagramm und Produktionslenkungsplan

• Absicherung besonderer Merkmale
• Prüfmittelliste und Prüfmittelfähigkeitsnachweis
• Werkzeugübersicht und Teilelebenslauf
• Nachweis vereinbarter Kapazitäten und Prozessabnahme


Requalifizierung
Nach Serienstart wird die Produkt- und Prozessqualität in regelmäßigen Abständen durch Requalifizierungs-Prüfungen bestätigt. Diese werden üblicherweise jährlich durchgeführt und orientieren sich inhaltlich am Erstmusterprüfbericht.


Ausblick
Die Digitalisierung und damit einhergehende Industrie 2.0 kann in oben genannten Bereichen gewinnbringend genutzt und die Informationen als Entscheidungsgrundlagen (z.B. für Investitionen)
verwendet werden. Durch die konsequente Erfassung von Parametern, Einflussgrößen (wie z.B. Umgebungstemperatur) und Prüfergebnissen können Zusammenhänge erkannt und Trends berücksichtigt
werden. Als Herausforderung gestaltet sich in der Praxis jedoch oftmals das notwendige Datenmanagement inklusive einer sinnvollen Datenablagestruktur und geeigneten Auswertungsmechanismen.

Ansprechpartner

Martin Reh
ALPHA Business Services GmbH
06028 30760 42
martin.reh@alpha-psf.com
www.alpha-psf.com

Teilen Sie gerne mit Ihrem Netzwerk diese Information: