Z! DAS ZUKUNFTSMAGAZIN IM INTERVIEW MIT prof. dr. georg rainer hofmann

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Prof. Dr. Georg Rainer Hofmann

Technische Hochschule Aschaffenburg

 

Der Begriff „New Work“ ist in aller Munde. Manche verstehen darunter den Tischkicker im Pausenraum, andere das Arbeiten im Homeoffice. Wir sprachen mit Prof. Dr. Georg Rainer Hofmann von der TH Aschaffenburg darüber, welche Bereiche wie von New Work betroffen sein können.

 

Herr Prof. Hofmann, den Begriff „New Work“ hört und liest man derzeit überall. Was darf man darunter verstehen?
Das ist eine interessante Einstiegsfrage. Wenn man in der Volkswirtschaftslehre nur genau wüsste, was „Work“ – also „Arbeit“ – ist, müsste man nur schauen, was an „New Work“ das Neue ist. Aber was ist Arbeit? Es ist nicht nur etwas, das entlohnt wird, es sind auch Tätigkeiten, die ohne Erwerb im Ehrenamt, in der Familie und im Haushalt, oder auch in der Freizeit geleistet werden. Völlig identische Tätigkeiten gelten manchmal als Arbeit – und manchmal nicht. Denken Sie etwa an das Gärtnern, Musizieren oder Flugzeugfliegen.

Bleiben wir aber im beruflichen Kontext, dann könnte man sagen, New Work beschreibt eine Reihe neuer Arbeitsbedingungen: Die Gestaltung von Arbeitsplätzen, Arbeitszeitmodellen, Entlohnungen und die Formen der Zusammenarbeit haben sich geändert. Vieles davon ist nicht wirklich neu, bekam aber durch die Corona-Pandemie eine enorme – dahingehend neue – Dynamik und Bedeutung in den Unternehmen. 

Also nicht Kicker & Co., sondern …?
… der strukturelle Wandel in unserer Arbeitswelt – bedingt durch die Digitalisierung und die veränderten Anforderungen und Bedürfnisse der Mitarbeitenden. Manch ein Betrieb stellt einen Kicker-Tisch auf – in der Hoffnung, dass dieser zu einem Wohlfühlambiente für die Belegschaft beiträgt. Doch New Work geht viel weiter: Es heißt auch Selbstorganisation, Handlungsfreiheit, Selbstverwirklichung und Teilhabe für die Mitarbeitenden.

Wo sehen Sie die größte Motivation für Unternehmen, sich dem Trend New Work anzuschließen?
Corona hat gezeigt, dass die Effizienz der Arbeit aufgrund von dislozierten  Arbeitsplätzen in der Regel gesteigert werden konnte. Woran liegt das? Mitarbeitende sparen Zeit und Geld, wenn der Weg zum Arbeitsplatz wegfällt. Die Aufwände, die bisher den Mitarbeitenden aufgebürdet wurden, wurden reduziert. Es sind also auf den ersten Blick Vorteile für die Mitarbeitenden, doch die Nutzung von
telemedialen Diensten, wie Videokonferenzen, flexibilisiert die Taktung und Festlegung von Terminen. Es entsteht eine höhere Verfügbarkeit, auch im Umgang mit Kunden und Lieferanten.

Eine weitere Motivation könnte auch sein, dass die Arbeitgeberattraktivität steigt. Die mit New Work verbundenen Freiheitsgrade sind für viele Mitarbeitende wichtig und werden bei der Wahl des Arbeitgebers neben vielen weiteren Komponenten wie der Entlohnung und ethischen Fragen genau betrachtet.

Gibt es auch Vorbehalte gegen New Work?
Ja, viele Unternehmen befürchten bei großzügigen Homeoffice-Regelungen einen Kontrollverlust über ihre Mitarbeitenden. Der Hintergrund ist oft, dass in vielen Arbeitsverträgen eine Entlohnung nach Arbeitszeit vereinbart ist. Wenn jemand im Homeoffice arbeitet, kann die erbrachte Arbeitszeit nicht wirklich überprüft werden. Da wird schnell mal unterstellt, dass in der Arbeitszeit die Wäsche gewaschen und der Hund Gassi geführt wird. Dabei wird vergessen, dass Mitarbeitende durch den Entfall der Reisezeiten zum Arbeitsplatz flexibler sind und somit die verpasste Zeit problemlos vor- oder nachholen können. Vielen Arbeitgebern fehlt jedoch das Vertrauen in die Belegschaft und sie unterliegen der Kontroll-illusion der Arbeit: Sie glauben, die (Effizienz der) Mitarbeitenden während derer Anwesenheit im Betrieb besser kontrollieren zu können. Hier gilt es eine Vertrauenskultur aufzubauen und ggf. über Zielvereinbarungen die erwarteten Leistungen und Ergebnisse festzulegen. Nur so ist das Störgefühl der Arbeitgeber, dass sie quasi durch Homeoffice „betrogen“ werden, aufzuheben.

Der Wille ist da, doch die bestehende Unternehmenskultur kann dem Wandel Steine in den Weg legen. Was sind die Voraussetzungen, dass der Wandel gelingt?
Bevor man einen Change anstößt, lohnt es sich sicher zu betrachten, wie die bisherigen Strukturen und die Stimmung im Unternehmen sind. Wird bislang sehr stark im „Command & Control“-Stil geführt und den Mitarbeitenden wenig eigene Entscheidungsfreiheit und Partizipation geboten, ist die Identifikation mit dem Unternehmen und der Arbeit unter Umständen bereits schon sehr gering. Schaut man auf die Ergebnisse des Gallup Engagement Index, sieht man, dass nur ein wirklich sehr kleiner Teil der Mitarbeitenden wirklich an das Unternehmen gebunden ist und ein beachtlicher Teil sogar schon innerlich gekündigt hat. Unternehmen mit starren Hierarchien schneiden hier traditionell besonders schlecht ab. Es herrschen Frustrationen und eine 9-to-5-Mentalität vor. In solchen Unternehmen ist ein Wandel zu New Work sicher nicht einfach und bedarf einer längeren Phase der Analyse, was die Menschen im Unternehmen hinsichtlich Arbeitsbedingungen wünschen, und eine gut durchdachte Einführungsphase.  

Manche Komponenten von New Work sind natürlich auch nicht mit jedem Unternehmen vereinbar. Dislozierte Arbeitsplätze oder Arbeitszeitflexibilität sind zum Beispiel in einem produzierenden Unternehmen mit Schichtarbeit für die gewerblichen Berufstätigen nicht darstellbar. Auch das Verkaufspersonal sollte zur Ladenöffnungszeit persönlich anwesend sein. Aber man kann zum Beispiel über Formen der Zusammenarbeit und Möglichkeiten der Mitbestimmung und Teilhabe nachdenken.

Ist es nötig, dass sich jedes Unternehmen wandelt? Was passiert mit jenen, die sich nicht wandeln?
Für die meisten Unternehmen ist der Transformationsdruck in der Tat hoch. Digitalisierung und Globalisierung, diverse Krisen in den Beschaffungs- und Absatzmärkten fordern eine hohe Anpassungsfähigkeit. Da kann man darwinistisch argumentieren: Nur der Anpassungsfähigste setzt sich durch („Survival of the Fittest“). Und wer nicht mitmacht, wird auf absehbare Zeit aus dem Markt ausscheiden. Doch es gibt auch Gegenbeispiele: Manche Unternehmen, beispielsweise im Handwerk, haben sich in den letzten Jahrzehnten kaum verändert, es hat nach wie vor einen „Goldenen Boden“. Das Risiko liegt bei diesen Unternehmen eher im Fachkräftemangel.

Junge Personen – die Generation Z – aber auch ältere Semester möchten ihre Arbeitszeit möglichst flexibel einteilen. Da stellt sich die Frage: Ist die Stechuhr noch zeitgemäß?
Die Stechuhr ist die einfachste Möglichkeit, die Belegschaft zumindest auf die reine Anwesenheit hin zu kontrollieren. Ist das Zeitkonto gefüllt, steht einer Auszahlung des Lohns nichts entgegen. Es möchte natürlich niemand gerne kontrolliert werden. Daher ist die Forderung der Mitarbeitenden, die Stechuhr abzuschaffen, verständlich. Doch Unternehmen sind gesetzlich angehalten, die Arbeitszeit der Mitarbeitenden zu erfassen, denn sie müssen Sorge dafür tragen, dass die Mitarbeitenden nicht ausgebeutet werden (oder sich selbst ausbeuten). Insofern kommt man an der Arbeitszeiterfassung im Grunde nicht vorbei. Der Zielkonflikt zwischen den Mitarbeitenden, die keine Arbeitszeiterfassung möchten, und den Arbeitgebern, die gesetzlich an die Erfassung gebunden sind, lässt sich hier kaum auflösen. Es gibt auch andere Arten der Entlohnung: nach Qualifikation (vielfach im öffentlichen Dienst), nach Leistung (Akkordlohn) oder eine pauschale Entlohnung (zum Beispiel bei Pfarrern, Professoren). Vor dem Hintergrund all dieser Formen stellt sich schon die Frage, ob die Stechuhr-basierte Entlohnung noch zeitgemäß ist.

Zu New Work gehören auch New Pay Modelle. Was kann man darunter verstehen?
Veränderungen in Organisationen gab es schon immer und sie zogen auch regelmäßig neue Entlohnungssysteme nach sich. Da kamen je nach Branche und Aufgabengebiet des Mitarbeitenden ein „Fixum plus Prämie“, eine „Erfolgsbeteiligung für Alle“ oder „persönliche Zulagen“ in Mode. Neu ist jetzt unter anderem, dass auch Erfolgsprämien für ganze Teams ausgehandelt werden sollen, da vielfach nicht mehr die Leistung des Einzelnen im Fokus steht, sondern bei gleichberechtigten Teammitgliedern deren Gesamtperformance. Auch das Thema Transparenz von Löhnen spielt eine Rolle. Zu berücksichtigen ist beim Thema Entlohnung immer, dass unter Umständen weitere Player als nur die Arbeitgeber und Arbeitnehmer verhandeln: Auch Betriebsrat und Gewerkschaften sitzen mit am Tisch.

New Work hängt auch eng mit New Learning zusammen. Lebenslanges Lernen ist die Basis für den Erfolg der Unternehmen von morgen. Sie arbeiten gemeinsam mit Partnern an dem Thema „Chief Qualification Officer“, kurz CQO. Wozu wird diese „Weiterbildung-Beauftragten-Position“ gebraucht?
Es gibt eine Reihe von Funktionen im Unternehmen, die traditionell vernachlässigt werden, obwohl jeder sagt: „Ja, das ist wichtig!“. Denken Sie an Arbeitsschutz, Gleichstellung oder Umweltschutz – allen diesen Bereichen tut es gut, dass Beauftragte benannt sind. Es hilft das Thema systematisch anzugehen, die Ausgangslage zu analysieren und Fortschritte zu dokumentieren. Gleiches gilt für das Thema Weiterbildung. Niemand würde sagen, sie ist überflüssig, aber solange sich niemand systematisch darum kümmert, liegt das Thema in den meisten Unternehmen brach. Gerade in hochtechnisierten Unternehmen ist der Evolutionsdruck auf die Belegschaft oft sehr hoch. Da bedarf es einer nachhaltigen Weiterbildung. Herausforderung ist, die Investitionen in die Weiterbildung in Balance zur produktiven Arbeit zu bringen.

Wir haben hier am Information Management Institut der TH Aschaffenburg seit dem Jahr 2019 mit VertreterInnen von Gewerkschaften, Industrie-Verbänden und auch kirchlichen Einrichtungen diverse Gesprächsrunden und Debatten geführt und auch studentische Arbeiten betreut, die sich mit der Ausgestaltung einer solchen CQO-Stelle beschäftigt (siehe dazu den Artikel „New Work, Digitalisierung, CQO und Co.“)

Und wer kann sich einen solchen CQO leisten?
Einfache Antwort: Jeder! Es gibt sicher Branchen und Funktionen im Unternehmen, wo mehr in Weiterbildung investiert werden muss als in anderen, aber das ist von der Betriebsgröße erst mal unabhängig. Anteilig sollte auch ein Solo-Selbständiger sein eigener CQO sein, denn auch er muss sich permanent weiterbilden – eine kurzsichtige Umsatzmaximierung ohne eine Investition in die Erhaltung der eigenen Qualifikation ist keine Option für die Zukunft!

Die meisten Unternehmen sollen und müssen innovativ sein. Braucht es dafür andere Raumkonzepte – weg von dem klassischen 2-Personen-Büro?
Schicke Workshop-Areale mit futuristischen Sesseln und moderner Moderationstechnik sind vermutlich nicht schädlich, aber auch nicht wirklich spielentscheidend. Zumindest ist das meine persönliche Meinung. Für erfolgreiche Innovationsprozesse ist eher wichtig, dass man sich auf die Aufgabenstellung fokussieren kann, also eine Zeit ohne Unterbrechungen dafür blockt, und dass die Ideen und Ergebnisse sauber dokumentiert werden. Sonst geht das Erarbeitete schnell wieder verloren.

Herr Professor Dr. Hofmann, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Das Interview führte Katja Leimeister, approdos consulting.

Ansprechpartner

Prof. Dr. Georg Rainer Hofmann
Technische Hochschule Aschaffenburg
Information Management Institut
Würzburger Str. 45
63743 Aschaffenburg
06021 4206-700
georg-rainer.hofmann@th-ab.de
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