Z! DAS ZUKUNFTSMAGAZIN IM INTERVIEW MIT Gerd Seber

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gerd Seber


Group Manager
DPD Deutschland GmbH, Aschaffenburg


 

Die Fahrzeuge von DPD kennen wir aus dem Straßenbild. Worauf hat sich DPD spezialisiert und für wen arbeitet er im Wesentlichen?

 

Die DPD Deutschland GmbH ist Teil der DPDgroup und Marktführer im Bereich B2B, aber zunehmend auch im Bereich B2C tätig. Wir sind Dienstleister für ca. 60.000 Kunden aus unterschiedlichsten Branchen, vom Textilhändler über Baumärkte, von großen internationalen Online-Händlern bis hin zu Werkzeugen und Ersatzteilen. Wir bieten unseren Kunden speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Lösungen für alle Versandsysteme inklusive der dafür notwendigen IT- und Tracking-Systeme.

 

Sie sind Group Manager City Logistics & Sustainability beim DPD. Was bedeutet diese Funktion?

 

Ich komme aus dem operativen Geschäft und habe mich mit Prozessoptimierung und Qualitätssicherung befasst. Dann kamen Themen wie Corporate Social Responsibility und Nachhaltigkeit auf, die gut zu meinen Tätigkeiten passten. Viele dieser Themen verlangen zwangsläufig Innovationen und so kam es, dass sich mein Tätigkeitsfeld allgemein auf Innovationen erweiterte. In den letzten Monaten fragten dann Städte sehr häufig an, um Fragen der City-Logistik zu besprechen, so dass ich meinen Schwerpunkt hierhin verlagert habe. In meiner Position bin ich eine Art interner Berater und Stratege unterhalb der Geschäftsführungsebene. Sind neue Ideen konkret genug entwickelt, werden sie zur Realisierung an den Fachbereich abgegeben, in dessen Zuständigkeit sie fallen.

 

Herr Seber, was sind Sie von Hause aus und wie sind Sie zum DPD gekommen?

 

Von Hause aus habe ich Wirtschaftsingenieurwesen in Berlin studiert. Danach bin ich zu DHL gegangen und habe in der DHL Deutschlandzentrale IT- und Organisationsprojekte betreut. Im Verlauf der Übernahme von DHL durch die DPAG bin ich dann zu DPD gewechselt.

 

Deutschland mit Anteil des produzierenden Gewerbes am BIP von ca. 26 % hat stark arbeitsteilige Wertschöpfungsketten verteilt auf große und mittlere Produktionsstandorte. Wie positioniert sich der DPD hierbei?

 

DPD Deutschland als Marktführer im Bereich B2B ist fester Bestandteil der Wertschöpfungskette der Kunden, die auf unsere Zuverlässigkeit und Qualität zählen. Ein großes Thema ist auch für uns der Brexit. Wir haben Vorbereitungen für ein Worst-Case-Szenario getroffen und dabei natürlich auch dafür gesorgt, dass wir im Bedarfsfall die notwendigen Zollformalitäten abwickeln können. Dadurch entstehen uns natürlich operative Hürden wie auch Mehrkosten, aber wir können auf Erfahrungen zurückgreifen, da wir ja für Lieferungen von der bzw. in die Schweiz eine ähnliche Situation kennen und beherrschen, wenn dort der Umfang auch deutlich geringer ist.

 

Bei Privatpersonen nimmt die Zahl der ausgelieferten Pakete konstant zu. Was erwachsen daraus für Herausforderungen?

 

Dieser Markt wächst sehr deutlich mit niedrigen 2-stelligen Wachstumsraten. Als Unternehmen, das aus dem B2B-Markt kommt, mussten wir für den B2C-Markt umlernen. Privatkunden sind einfach weniger zuverlässig zu erreichen als Gewerbekunden und die Anzahl an Paketen pro Lieferung ist geringer. Das führt im Schnitt zu weniger Sendungen pro Stopp und zu einer Steigerung der Zustellkosten. Wir arbeiten daher konsequent an einer Optimierung und Diversifizierung unserer Lieferkonzepte und erproben z. B. auch den Einsatz von Lastenrädern und e-Scootern. Auch Drohnen sind für uns ein Thema, allerdings mehr für Lieferungen, bei denen geringe Paketgewichte und weite Zustellwege oder extrem schnelle Zustellungen notwendig sind. Für Innenstadtlieferungen sehen wir Drohnen als eher ungeeignet, hier gilt es andere Lösungen zu entwickeln.

 

Was sind die Haupttreiber für Innovationen?

 

Vor allem ist es die Notwendigkeit, auf neue Herausforderungen zu reagieren, Kosten zu reduzieren, Effizienz zu steigern und sich im Idealfall noch mit einem besseren Serviceangebot im Markt differenzieren zu können. Hinzu kommt, dass wir uns stärkeren Reglementierungen ausgesetzt sehen, bspw. durch die aktuelle CO2- und Feinstaubdiskussion. Relevant sind aber auch Sicherheitsaspekte, da immer mehr Städte im Rahmen einer Abwehr terroristischer Angriffe Fahrbereiche in Innenstädten mit Pollern versehen, was die Erreichbarkeit durch Lieferfahrzeuge verschlechtert. Hinzu kommen zeitliche Zufahrtsbeschränkungen. Überraschend ist, wie groß die Unterschiede in den Anforderungen der Städte sind. Es gibt keine allgemeingültige optimale Konzeption, so dass wir für alle Städte individuelle Lösungen ausarbeiten. Dabei können sowohl kleinere als auch emissionsfreie Fahrzeuge genauso wie Ladezonen und Logistikflächen Teil der Lösung sein.

 

Die Zustellfahrzeuge im Innenstadtbereich haben viele Start- und Stoppvorgänge, was zu entsprechenden Emissionen von Gasen und Feinstaub führt. Wie denkt der DPD über eine Elektrifizierung der Zustellfahrzeuge?

 

Ja, Elektrifizierung ist ein wichtiges Thema bei uns. Wir prüfen sämtliche verfügbaren Modelle auf die Eignung für unsere Anforderungen, bspw. den Streetscooter, den eCrafter von VW oder den Nissan e-NV200. Die Fahrzeuge müssen sich in unsere Umschlagsprozesse sowie in die vor- und nachgelagerten Prozesse einfügen. Und hier steckt der Teufel häufig im Detail. So muss der Öffnungsradius der Heckklappen mit den Gegebenheiten der Beladebereiche in den Depots zusammenpassen, die Fahrzeuge brauchen mehrere Türen zum Be- und Entladen etc., die Zuladungskapazität muss ausreichend sein und die Akkus leistungsfähig genug. Wir hoffen, dass e-Mobilität, wenn noch mehr große Hersteller entsprechende Modelle anbieten, noch näher zu den konventionellen Fahrzeugen aufschließt. Auch die neu entstehenden Konzepte für eine Zweitverwertung von Akkus dürften hier den Markt beleben. Wir sind aber optimistisch und haben angekündigt, noch in diesem Jahr in der Innenstadt von Hamburg emissionsfrei auszuliefern.

 

Neben der Elektrifizierung ist ein Trend in der Mobilität die Automatisierung. Welche Potenziale sehen Sie für Ihr Unternehmen?

 

Die Automatisierung in der logistischen Kette ist schon lange einer unserer Schwerpunkte. Technik unterstützt uns bereits beim Umschlag und der Sortierung der Pakete, aber für andere Prozesse wie das automatische Beladen des Fahrzeugs gibt es noch keine Lösungen. Auch das automatische Be- und Entladen des Fernverkehrs ist noch eine Herausforderung, für die es nach wie vor keine technische Lösung gibt, die besser als der Mensch ist. Hinsichtlich der Auslieferung arbeiten wir an einer Erhöhung des Anteils der Produktivzeit an der Arbeitszeit der Zusteller. In dem Forschungs- und Entwicklungsprojekt VanAssist beispielsweise wollen wir die sog. „letzte Meile“ optimieren. Das Fahrzeug soll dabei den Zusteller bei seiner eigentlichen Tätigkeit, der Zustellung, durch die Automation von bestimmten Fahrfunktionen entlasten und unterstützen.

 

Was sind die Ziele dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekts? Wer sind dabei Ihre Kooperationspartner?

 

Mit diesem vom BMVI geförderten Projekt, das wir zusammen mit BridgingIT GmbH, dem Institut für verlässliche Embedded Systems der Hochschule Offenburg, der IAV GmbH, dem Institut für Informatik der TU Clausthal, dem Institut für Enterprise Systems der Universität Mannheim und Volkswagen Nutzfahrzeuge unter Koordination durch ZENTEC durchführen, adressieren wir die meisten der oben genannten Fragestellungen im Bereich der Zustellung. Wir erwarten uns Konzepte dafür, die Qualität der Zustellung zu steigern, mehr Zeit für die eigentliche Zustellung zu gewinnen und damit auch das Berufsbild des Zustellers wieder attraktiver zu machen. Es ist tatsächlich derzeit ein zentrales Problem der gesamten Branche, qualifizierte Zusteller zu finden. Der Wettbewerb untereinander ist hier ausgesprochen groß und kann nicht mehr allein mit Motivierung und Incentivierung gewonnen werden. Wir müssen die Tätigkeit der Zustellung an sich attraktiver und innovativer machen.

 

Alle Unternehmen wie DPD stehen ähnlichen Fragestellungen und Herausforderungen gegenüber. Gibt es strategische oder gemeinsame vorwettbewerblichen Kooperationen?

 

Wir haben dort grundsätzlich die Compliance- und Kartellvorschriften zu beachten, weswegen wir nur im vorwettbewerblichen Bereich tätig sein können. Wir arbeiten aber im Branchenverband BIEK, in großen Förderprojekten wie auch z.B. in Arbeitsgruppen des DIN zusammen und schaffen gemeinsame Standards, bspw. für Paketkästen oder Empfängerverfügungen. Ansonsten können Sie als Verbraucher aber oft schon Retouren an den Paketshop des Anbieters Ihrer Wahl zurückgeben, was eine Verarbeitbarkeit des Paketlabels bei verschiedenen Dienstleistern voraussetzt.

 

Weitere große Themen sind „Smart Cities“ oder „Smart Regions“. Welche Bezüge sehen Sie zu den Tätigkeitsfeldern Ihres Unternehmens?

 

Da gibt es eine Vielzahl von Bezügen. Für eine zuverlässige Routenplanung und die Einhaltung der im Rahmen unseres Predict Services avisierten Zustellzeit benötigen wir in Echtzeit verfügbare Verkehrsinformationen. Hilfreich gerade in Innenstädten wären auch garantierte Haltemöglichkeiten und Ladezonen inkl. der Möglichkeit, diese für ein Lieferfahrzeug vorab zu reservieren. Hierbei ergeben sich immer wieder Anknüpfungspunkte mit den Planungen der Städte, die sich ganz allgemein verstärkt mit den Möglichkeiten der Digitalisierung für die Steuerung von Verkehrsströmen beschäftigen.

 

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für Ihre Branche?

 

Der Personalmangel bei Zustellern ist eine unserer größten Herausforderungen, da die Arbeit als Zusteller anstrengend und meiner Ansicht nach auch nicht ausreichend wertgeschätzt ist. Eine weitere Herausforderung sind die am Markt durchsetzbaren Preise. Die Menschen erwarten suggeriert durch die Kommunikation im Online-Handel eine kostenfreie Zustellung, was einfach wirklichkeitsfremd ist. Wir sollten, um auch in Zukunft menschengerechte Arbeit anbieten zu können, ganz offen darüber reden, was Zustellung insbesondere an jeder Wohnungstür kostet und die Preise entsprechend nachziehen. Wichtig ist ebenfalls, dass bei der Stadtgestaltung künftig auch Anforderungen der Lieferdienste berücksichtigt werden. Es gibt bspw. in Frankreich bereits recht radikale Lösungen, Innenstädte für jeglichen Straßenverkehr zu sperren oder Ideen, in Innenstädten zentrale Lager einzurichten, von wo aus die letzte Meile bedient werden soll. Hierbei werden aber oft die Volumina massiv unterschätzt, die tagtäglich von den Lieferdiensten bewältigt werden. So sind es in Berlin geschätzt ca. 450.000 Pakete pro Tag, die von insgesamt ca. 3.500 Fahrzeugen ausgeliefert werden. Das würde bedeuten, dass in den Städten derzeit ca. 1 Paket pro 10 Einwohnern pro Tag zugestellt wird. Solche Mengen kann man allein schon aufgrund des Flächenbedarfs nicht zentral in einem Stadtgebiet umschlagen. Verlagert man den Umschlag aber vor die Stadttore, müssen weiterhin große Zustellflotten täglich in die Stadt hinein und heraus.

 

Wie zufrieden sind Sie mit dem Standort Bayerischer Untermain?

 

Offen gesagt bin ich in meiner Funktion nicht der Richtige, diese Frage zu beantworten. Klar ist aber, dass sich die Mitarbeiter hier in der Region sehr wohl fühlen. Entsprechend gering ist zum Beispiel die Fluktuation im Mitarbeiterstamm der Unternehmenszentrale. Beides sind für mich Indizien dafür, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Geschäftsführung sehr zufrieden mit dem Standort sind.

 

Vielen Dank für das interessante Gespräch, Herr Seber.

Das Interview führte Dr. Gerald Heimann.



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