Akzeptanz der Elektromobilität

Eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen bis 2020. So das ursprüngliche Ziel des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Bestand heute laut dem Kraftfahrtbundesamt: 98.280 zugelassene Elektrofahrzeuge. Es kann somit als sicher prognostiziert werden, dass das selbst gesetzte Ziel des Bundesministeriums nicht annähernd erreicht wird, deshalb muss die Akzeptanz neu überdacht werden.

 

Die Macht der Gewohnheit
Autofahrer sind seit langer Zeit an Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gewöhnt. Die deutlich höhere
Energiedichte von Benzin- und Dieseltreibstoff gegenüber der einer Batterie verhilft den Fahrzeugen
zu einer großen Reichweite und sehr guten Fahrleistungen. Dank einer flächendeckenden Infrastruktur
ist das Nachtanken in kurzer Zeit überall und unkompliziert zu erledigen. Autofahrer sind daran gewöhnt, mit einem Fahrzeug die Gesamtlösung für alle Anforderungen zu besitzen. Für die Kurzstrecke, für die Langstrecke, für die Fahrt alleine, für die Fahrt mit der Familie. Nicht zuletzt boomt der Absatz für Geländefahrzeuge, deren Großteil nie im Gelände bewegt wird, dem Fahrer aber das Gefühl verleiht, er könne, wenn er wolle. Auf dem Markt befinden sich somit komplett ausgereifte Fahrzeuge für jede Lebenslage. Aus welcher Motivation heraus sollten Autofahrer daher zu einem Elektrofahrzeug wechseln?


Bekannte Probleme. Kaum Lösungen
Ein Wechsel zu einem Elektrofahrzeug bedeutet für den Autofahrer eine Reihe von Nachteilen in Kauf zu
nehmen. Diese beginnen bereits beim Kauf. So liegt der Kaufpreis im Durchschnitt ca. 30 % über dem
eines konventionellen Fahrzeuges. Diese finanzielle Mehrbelastung amortisiert sich bei günstigen
Elektrofahrzeugen durch niedrigere laufende Kosten nach ca. 1,5 Jahren. Bei teuren Elektrofahrzeugen jedoch erst nach ca. 4 Jahren. Eine Zeitspanne, die zu groß ist für das typische Leasingfahrzeug, das nach 3 Jahren wieder zurückgegeben wird. Der Umweltbonus über 2.000 € von der Bundesregierung (zzgl. mindestens 2.000 € Bonus vom Hersteller) ist dabei nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

 

Abgesehen vom hohen Kaufpreis ergeben sich die nächsten Probleme im laufenden Betrieb. Die niedrige
Reichweite stellt für die meisten Autofahrer die größte Hürde dar. Diese könnte auch als psychologische
Hürde bezeichnet werden, da die Mehrheit der Autofahrer nicht mehr als 50 km am Tag fährt. Eine
Reichweite, die theoretisch jedes Elektrofahrzeug bereits heute ohne Probleme schaffen würde. Eine
nahezu vollständige Akzeptanz würde jedoch erst ab 500 km Reichweite erreicht werden. So sind es die
Autofahrer gewohnt. Da sich die Batterietechnologie jedoch nicht von heute auf morgen verbessern lässt,
wäre eine mögliche Lösung, der Reichweitenangst mit einer gut ausgebauten Infrastruktur zu begegnen.
Diese ist mit 25 Ladepunkten, die auf 100.000 Einwohner kommen, jedoch immer noch mehr als
spärlich ausgebaut. Betrachtet man staatliche Bauprojekte wie ein nahegelegenes Hochschulparkhaus,
welches mit Baubeginn 2018 ohne eine Ladesäule errichtet wird, so könnte fast die Ernsthaftigkeit der
politischen Ziele in Frage gestellt werden.

 

Ist eine Ladesäule erreicht, so ist diese dann hoffentlich nicht besetzt und die passende App zum Bezahlen ist bereits installiert. Eine Statusabfrage aus der Ferne, ob die Ladesäule besetzt ist oder ein einheitliches Bezahlsystem, gibt es bis heute nicht. Genau genommen ist sich nicht einmal die Bundesnetzagentur darüber im Klaren, wie viele Ladesäulen es wirklich in Deutschland gibt. Daher lassen sich immer mehr private Webseiten im Internet finden, auf denen Nutzer Stromtankstellen markieren.

Ob so die Akzeptanz für Elektromobilität geweckt werden kann? Länder wie Norwegen sind hier deutlich
weiter.


Reputationsverschiebung Umweltfreundlichkeit?
Der Kunde, der sich nicht hat abschrecken lassen von einem hohen Kaufpreis oder mangelnder Infrastruktur, kauft ein Elektrofahrzeug hauptsächlich der Umweltfreundlichkeit zuliebe. Selbstverständlich
spielen auch Gründe wie die Fahreigenschaften eine Rolle, die Umweltfreundlichkeit ist jedoch
tatsächlich des Deutschen liebster Kaufgrund für ein Elektrofahrzeug. Betrachtet man nun die Umweltbelastung, die bereits durch die Produktion und die Entsorgung eines Elektrofahrzeuges entstehen, so zeigt sich schnell, dass Elektrofahrzeuge sogar weniger umweltfreundlich als konventionelle Fahrzeuge sein können. Dies bezieht sich hauptsächlich auf Fahrzeuge, die mit dem deutschen Strom-Mix gefahren werden. Mit dem Betrieb aus Kohle- und Atomstrom ist es kaum möglich, ein Elektrofahrzeug
in Summe umweltfreundlicher zu betreiben als ein konventionelles Fahrzeug. Besonders große Fahrzeuge wie beispielsweise ein Tesla Model S bringen bereits eine so hohe fixe Umweltbelastung durch
die Produktion und das Recycling mit sich, dass diese mindestens rund 100.000 km gefahren werden
müssen, um so umweltfreundlich wie ein vergleichbares Fahrzeug mit Verbrennungsmotor zu sein. Bei
kleineren Fahrzeugen wie einem Volkswagen E-Golf sind es immerhin nur rund 50.000 km, die gefahren
werden müssten, um durch den umweltfreundlicheren Fahrbetrieb mit Strom die Belastung durch
Produktion und Recycling auszugleichen. Was ist jedoch, wenn die Fahrzeuge weniger gefahren oder
die Akkus bereits vorher verschlissen sind? Eine Lösung wäre der Umstieg auf 100 % Ökostrom an
Ladesäulen. An vielen Ladesäulen ist jedoch nicht einmal erkennbar, um welche Art von Strom es
sich handelt. Eine gefährliche Situation, wenn man bedenkt, dass die Umweltfreundlichkeit doch der
Hauptgrund ist, überhaupt ein Elektrofahrzeug zu kaufen.

 

Den Blickwinkel erweitern
Der Fokus der Politik liegt heute hauptsächlich auf dem Automobil. Dies zeigen Aussagen führender
Politiker aber auch der Nationale Entwicklungsplan Elektromobilität. Macht es jedoch Sinn, sich so
sehr auf das Auto zu fokussieren? Es bietet sich ein Analogieschluss mit der historischen Entwicklung
der Automobile an, der zeigt, dass Zweiräder die Vorläufer der heutigen automobilen Vierräder sind.
Auf Basis der Case-based Evidence Methode der Hochschule Aschaffenburg wäre somit der Marktentwicklung von Zweirädern eine besondere Aufmerksamkeit zu empfehlen. Tatsächlich gibt es im Bereich der E-Bikes in Deutschland einen regelrechten Boom. Auch Branchenexperten sehen im Markt für Zweiräder enormes Potenzial. So sagt beispielsweise Bosch-Sprecherin Inga Ehret: „Wir sehen in den
Elektro-Zweirädern einen wachsenden Milliardenmarkt. Sie haben sich in vielen asiatischen Städten
bereits durchgesetzt, weil sie die bessere Lösung für die Menschen sind“. Jedoch fehlt es auch hier
komplett an der passenden Infrastruktur. So fühlt sich laut Studien die Mehrheit der Fahrradfahrer
unsicher auf Grund der schlechten Verkehrsführung und es mangelt an sicheren Abstellplätzen für die
hochwertigen Elektrofahrräder. Für Elektromotorräder oder Scooter gibt es darüber hinaus keinerlei
Förderung und die Möglichkeiten zum Aufladen des Akkus sind noch bescheidener als die für ein Elektroauto. Dabei wäre – bedingt durch den niedrigeren Kaufpreis eines Zweirades – der Wirkungsgrad einer Förderung um ein Vielfaches höher als für ein Auto. Und die Städte könnten ebenfalls deutlich stärker entlastet werden – ökologisch, aber auch im Hinblick auf Staus und den Parkplatzmangel. Verspielt die Politik mit einem falschen Fokus hier eventuell enormes Potenzial?


Weiterführende Informationen

  • Zur Akzeptanz von Elektrofahrzeugen: Masterthesis von Raoul Herfert zum Thema „Enhancing the Acceptance of Electromobility in an International Context“. Erhältlich über die Bibliothek der Hochschule Aschaffenburg oder bei Raoul Herfert direkt.
  • Zur Case-based Evidence Methode: Im Buch „Case-based-Evidence – Grundlagen und Anwendung“ von Meike Schumacher und Prof. Dr. Georg Rainer Hofmann. Erhältlich im Buchhandel.

Ansprechpartner

Raoul Herfert und Prof. Dr. Georg Rainer Hofmann
Hochschule Aschaffenburg
Würzburger Str. 45
63743 Aschaffenburg
06021 4206-700
Raoul.Herfert@me.com
www.h-ab.de


Teilen Sie gerne mit Ihrem Netzwerk diese Information: