Z! im Interview mit Gerhard Rienecker, PASS Consulting Group


Gerhard Rienecker ist Vorsitzender der Geschäftsleitung der PASS Consulting Group. In dieser Position fördert er die Umsetzung der sieben strategischen Erfolgsfaktoren: Kundenorientierung, Spezialisierung, Integration, Innovation, Unabhängigkeit, Mitarbeiterorientierung und Flexibilität. Er leitet die Business Unit Banking und ist Herausgeber und Mitautor zahlreicher Bücher, u. a. „Innovationen, Wandel als Herausforderung und Chance“ und „Quality, That’s IT: Die Bedeutung der IT für den Unternehmenserfolg“.

Herr Rienecker, PASS Consulting ist ein eingesessenes Unternehmen in Aschaffenburg. Womit beschäftigt sich das Unternehmen? 
PASS ist ein IT-Unternehmen und feierte kürzlich sein 44-jähriges Bestehen. In den ersten 25 Jahren arbeitete PASS fast ausschließlich an Innovationsprojekten für Großkonzerne. Heute hat sich das Unternehmen stärker auf eigene Lösungen und Dienstleistungen fokussiert und erzielt über 70 % seines Umsatzes mit Software und Cloud-Services. PASS betreibt drei Rechenzentren, darunter ein Disaster Recovery Rechenzentrum. 

Welche Unternehmen zählen Sie zu Ihren Kunden? 
Wir sind über Business Units in verschiedenen Branchen tätig. So zählen über 300 Finanzinstitute, knapp 400 Reisebüros, Versicherungen und Bausparkassen zu unseren Kunden. Dazu kommen im öffentlichen Bereich Bundesministerien, Landesministerien und Kommunen, für die wir Antrags- und Bewilligungsplattformen für das europäische und deutsche Förderwesen bereitstellen und in unseren Rechenzentren betreiben. Last but not least stellen wir Sportverbänden und -vereinen Software für
Verbands-, Vereins-, Mitgliederverwaltung und Eventabwicklung zur Verfügung. Auch im Bereich Distributionslogistik bietet PASS Lösungen zur Tourenoptimierung. Durch KI-gestützte Lösungen wie PLANTOUR werden die CO2-Emissionen unserer Kunden um ein Vielfaches reduziert. So leisten wir einen positiven Beitrag zum Klimaschutz. 

Das klingt vielversprechend. Ihr Unternehmen ist also im Wachstum?
Ja, wir befinden uns auf einem deutlichen Wachstumskurs von aktuell über 20 % in den ersten beiden Monaten des aktuellen Jahres. Dies ist vor allem auf die erfolgreiche Entwicklung und Vermarktung neuer Softwarelösungen sowie auf die internationale Expansion zurückzuführen. Trotz des Wachstums ist PASS jedoch weiterhin in einer Phase der Investition und des gezielten Aufbaus, um die steigende Nachfrage nach IT-Services und innovativen Produkten zu bedienen. Das Unternehmen sieht sich auf einem guten Wachstumspfad, der mittelfristig in einen exponentiellen Anstieg übergehen könnte. Andererseits wird unser Wachstum durch die vielen Regulierungen in Deutschland und Europa ausgebremst. 

Sie meinen die neuen Regulierungen in der IT-Compliance wie NIS2, DORA etc.?
Nein. Während viele Unternehmen durch diese Regulierungen unter Druck geraten, kann PASS davon sogar profitieren. Der Finanzsektor beispielsweise fordert die Einhaltung von Richtlinien wie DORA, was PASS als Chance nutzt, um die gesetzlichen Bürden für Banken zu lindern. Die gesetzliche Regulierung bietet einem Provider für die Finanzindustrie viele Optionen für neue Services und Softwarelösungen. So bedienen diese Regulierungen genau die Kernkompetenz der Business Unit Banking von PASS, da diese Business Unit über umfangreiche Expertise in der Umsetzung von Compliance-Lösungen verfügt. Dadurch gelingt es der Business Unit Banking aus regulatorischen Anforderungen ein nachhaltiges Geschäftsmodell zu entwickeln. Für uns sind viele andere Regulierungen hemmend.

Welche meinen Sie damit konkret?
Die größte Hürde im unternehmerischen Alltag ist die allgemeine Überregulierung in Deutschland. Ca. 1800 Gesetze mit über 50000 Einzelnormen und 2800 Rechtsverordnungen mit ca. 45000 Einzelnormen wirken primär als Gestaltungs- und Handlungsbremse, sorgen für Rechtsunsicherheit und stellen für mich einerseits ein großes unternehmerisches Risiko dar und sind ein erheblicher Kostenfaktor. Beispielweise bremst das neue Arbeitszeitgesetz und die strikten Regelungen zur Einzelselbständigkeit meine Dispositionsflexibilität und die Innovationspower in Strategieberatungsprojekten. Das Arbeitszeitgesetz zwingt Unternehmen zu stündlichen Aufzeichnungen, was bei hochqualifizierten Akademikern auf Unverständnis stößt. Zudem schränkt die Regelung zur Einzelselbständigkeit die Zusammenarbeit mit Freiberuflerinnen und Freiberuflern erheblich ein. Mich ärgert insbesondere, dass Verstöße mit maßlos hohen Strafen sanktioniert werden. Dies insbesondere deshalb, weil die Gesetze schlecht gemacht sind und einen breiten Interpretationsspielraum öffnen, der keine Handlungssicherheit bietet.

Ein immer größer werdendes Risiko stellen für mich die steuerlichen Regelungen dar. Deutschland stellt knapp 90 % der Weltliteratur in Sachen Steuern und die Betriebsprüfer – so ein Kommentar eines mir bekannten Betriebsprüfers – werden jährlich bis zu drei Monaten nachgeschult, um auf dem aktuellen Stand zu sein. Das bedeutet aber auch, dass ich ggfs. als Steuerzahler die Anforderungen nicht rechtzeitig bedienen kann, wenn ich nicht ebenso meine Kolleginnen und Kollegen hierzu bis zu drei Monaten nachschulen lasse.

Ich sehe auch einen erheblichen Widerspruch darin, dass Unternehmen Gesetze mit kurzen Fristen umsetzen müssen, während der öffentliche Sektor meistens nicht in der Lage ist, vorgegebene Fristen einzuhalten. Ein Beispiel hierfür ist das Onlinezugangsgesetz (OZG) aus dem Jahr 2017, das die Digitalisierung staatlicher Dienstleistungen vorantreiben sollte. Obwohl die Umsetzung bereits 2022 abgeschlossen sein sollte, sind bislang nur knapp 10 % der Verwaltungsprozesse digitalisiert und die weitere Umsetzung ist auf den „Sankt Nimmerleinstag“ vertagt worden.

Seit Jahren ein ebenfalls bekanntes Problem ist der Fachkräftemangel in der IT-Branche. Wie decken Sie Ihren Fachkräftebedarf? Wo gibt es Probleme?
Der Mangel an IT-Fachkräften ist in Deutschland ein großes Problem. Es hat zum Beispiel über 20 Jahre gedauert, bis an der TH Aschaffenburg ein Studiengang Software Design entstanden ist. Inzwischen gibt es im Jahr vielleicht 20 Absolvent:innen. Das ist verglichen mit den hier ansässigen IT-Unternehmen einfach zu wenig. Dazu kommt, dass viele ins Ausland gehen wollen, da sie dort ebenfalls sehr gefragt sind und bessere Bedingungen vorfinden. 

Deshalb sind Sie unter anderem in Afrika und Indien tätig. Wie sind die Erfahrungen?
In beiden Regionen – jüngst in Tunesien - können wir nicht nur kostengünstiger Entwicklungsleistungen einkaufen, sondern auch leichter qualifizierte Fachkräfte finden. Indische und tunesische Universitäten bilden jährlich Hunderte Informatiker aus. Zudem profitieren Unternehmen von steuerlichen Vorteilen in den ersten Jahren und einer vergleichsweise geringeren Regulierung.

Gleichzeitig werden wir dort als sozialer Arbeitgeber wahrgenommen, da wir faire Arbeitsbedingungen und flexible Arbeitszeiten anbieten, die über den gesetzlichen Standards liegen. Beispielsweise arbeiten unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort statt 48 Stunden 40 Stunden. Dies macht uns als Arbeitgeber attraktiv und fördert eine langfristige Mitarbeiterbindung. Damit ist eine flexible und dynamische Personalpolitik möglich, die in Deutschland kaum umsetzbar wäre.

Deutschland tut sich schwer mit KI. China und die USA lassen uns „alt aussehen“. Wie könnten wir hier wieder aufholen?
Deutschland verliert im internationalen Vergleich zunehmend an Dynamik und Innovationskraft, da Regularien wie der EU AI Act die Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI) bereits in frühen Phasen stark einschränken. Statt die Chancen von KI zu fördern, überwiegt die Furcht vor Risiken. Wir bräuchten hier zuerst einen gesellschaftlichen Diskurs und Meinungsbildungsprozess, in dem die Chancen und Risiken herausgearbeitet werden und nicht einen doktrinären EU AI-Act, der das Kind mit dem Bade ausschüttet. Sinnvoll wäre es außerdem, KI-Algorithmen zunächst frei entwickeln zu lassen und dann über eine Zertifizierung sicherzustellen, dass sie sich nicht gegen den Menschen richten und unsere Werte bedienen. Dies könnte wiederum von einer KI gemacht werden.

Ein weiteres Problem ist die unzureichende Förderung und die fehlende Bereitschaft, in großem Maßstab zu investieren. Während Länder wie die USA und China Milliardenbeträge in die Erforschung und Entwicklung von KI investieren, bleibt Deutschland weit hinter diesen Ambitionen zurück.

Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, müsste Deutschland eine agilere Innovationspolitik verfolgen, die Risiken zwar nicht ausblendet, aber mehr Spielraum für innovative Unternehmen bietet. Zwar ist die Forschung von den strengen Regulierungen ausgenommen. Aber genau diese Regulierung ist wiederum kontraproduktiv, weil aus unseren Großforschungseinrichtungen die wenigsten Innovationen kommen. Die Innovationen in unserer Branche kommen aus den Garagen – Microsoft, Apple, Hewlett Packard, SAP (Wohnung in Mannheim), und viele mehr. Wir müssen offene Crowd-Intelligenz aktivieren und vermeiden, die Intelligenz in einen vermeintlichen Intelligenzraum zu verlagern. Nur so kann Deutschland seine Innovationskraft im globalen Vergleich stärken.

Bei aller Kritik am Standort Deutschland – womit kann die Region Bayerischer Untermain als Standort punkten?
Der Bayerische Untermain bietet eine ideale Kombination aus urbaner Nähe und ländlicher Idylle. Die Nähe zum Frankfurter Flughafen, einer der wichtigsten Knotenpunkte in Europa, ermöglicht internationale Geschäftsreisen, während die Region selbst einen hohen Freizeit- und Erholungswert bietet. Zudem herrscht ein angenehmes soziales Klima, das den Standort zusätzlich attraktiv macht.

Das Interview führte Katja Leimeister, approdos consulting


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