Digitaler Wandel der Arbeitswelt bedeutet auch sozialen Wandel

Der Digitale Wandel entwickelt sich von einer technischen Frage hin zu einer umfassenden Herausforderung auf allen Ebenen betrieblichen Handelns.  Wohin auch immer die Entwicklung geht - die stetig wachsenden digitalen Möglichkeiten werden die Arbeit von Mechanikern und Verwaltungsmitarbeiterinnen, von Servicetechnikern und Betreuerinnen stetig verändern. Diese Entwicklung greift eine öffentliche Ringvorlesung zum „Digitalen Wandel“ an der Technischen Hochschule Aschaffenburg auf, in der die verschiedensten betrieblichen Handlungsfelder wie auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen diskutiert werden. Davon ausgehend kann man sechs Dimensionen benennen, in denen der Digitale Wandel nicht nur die Arbeitswelt, sondern unser alltägliches soziales Zusammenleben beeinflusst.

 

Bildung & Status
Die Triebkräfte der globalen technologischen Entwicklung werden zu Auf- und Abwertungen von Bildungsabschlüssen sowie zu Erschaffung und Auflösung von Berufen führen. Immer wiederkehrend werden betriebliche oder individuelle Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung relevant. Für die einen ist es das Abenteuer eines lebenslangen Lernens, für die anderen wird es zu einer lebenslangen Defiziterfahrung. Für beide gilt, dass sie sich Bildung und den damit verbundenen gesellschaftlichen Status immer neu aneignen werden.

Arbeit  & Einkommen
Wenn diese allgemeinen Entwicklungen die individuelle Möglichkeit des Arbeitseinkommens immer wieder aufbrechen und die Erwerbsbiographie von Bildungsanstrengungen durchsetzt ist, dann wird das die Notwendigkeit von Transfer-Zahlungen vergrößern. Hinzu kommt das neue Prekariat der Crowdworker. Individuelle Bildungskonten oder die Einführung eines (bedingten) Grundeinkommens weisen hier über die etablierte Diskussion hinaus.

Raum & Zeit
Arbeit über Zeitzonen hinweg sowie Arbeit auf Abruf bzw. nach aktueller Auftragslage strukturie-ren den Alltag neu. Hinzu kommt die schwierige Abgrenzung von „Arbeitszeit“, wenn man von un-terwegs die Mails checkt oder Anrufe tätigt. Eine Umfrage am Untermain ergab, dass die Hälfte aller Eltern ihre Arbeitszeit zu Gunsten der Erziehungsarbeit verkürzen würden. Das Freiwilligensurvey der Bundesregierung registriert eine Bereitschaft zum projektbezogenen Engagement, bei abnehmender Bereitschaft für Vorstandsfunktionen. Hier wird ein Mix aus Transfereinkommen (Erziehung, Pflege, Übungsleiter) und Infrastruktur (Kita, Tagespflege, Freiwilligenmanagement) notwendig sein, um eine „Caring Community“ als Pendant zur flexiblen Arbeitswelt zu entfalten.

Freiheit & Sicherheit
Die digitale Transparenz nimmt mit der Vernetzung aller Komponenten und Tätigkeiten deutlich zu. Zu allererst erhöht sich damit die Verantwortung von Unternehmen, weil sie Informationen über das Handeln ihrer Mitarbeiter erhalten, für die sie gerade stehen müssen. Gleichwohl ergeben sich aus elektronischen Logbüchern, Fahrtenschreibern, Kommunikationsverläufen, etc. Datenspuren, die zumindest das Potenzial der Überwachung beinhalten. Entsprechend braucht es Regelungen für den unternehmensinternen Schutz digitaler Spuren. Darüber hinaus zeigt sich, dass in dynamischen Arbeitswelten Führungsansätze hilfreich sind, mit denen die Eigenmotivation und das Selbstmanagement gestärkt werden.

Interaktion & Zusammenhalt
Die Anzahl von Mails, Posts sowie Dokumenten wächst stetig an und führt zu einer Informations-flut, die an die Grenzen der Bewältigungsfähigkeit gelangen. Technisch verstärkt können wir uns mehr Menschen gleichzeitig mitteilen, die Aufnahmefähigkeit von Informationen bleibt dagegen neuro-psychologisch begrenzt. Dies führt dazu, dass wir hoch selektiv wahrnehmen und uns in digital verstärkten Informationsblasen einrichten. Jenseits von Strukturen und Regeln brauchen wir deshalb eine Kultur der unabhängigen Medienvielfalt, in der ein respektvoller Umgang mit unterschiedlichen Sichtweisen einen reifen Platz hat.

Personalität & Identität
Eine Studie des Fraunhofer Instituts FIT stellt fest, dass ein Viertel der Arbeitnehmer unter erkenn-barem „Digitalem Stress“ am Arbeitsplatz leidet. Faktoren wie digitale Überwachung, Unterbre-chungsfrequenz von Arbeiten oder die schleichende Erweiterung von Aufgaben führen zu Belastungen, die in ihren Auswirkungen hoch bedeutsam sind. Die psychischen Krankheitsmarker von Betroffenen Personen liegen 25 % über dem einer Referenzgruppe. Entsprechend braucht es ein individuelles Belastungsmonitoring, kommunikative Kompetenzen in der Personalführung wie auch Kompetenzen im Selbstmanagement der Beschäftigten. Bedeutsam sind auch die Ausgleichsstrukturen jenseits der Arbeitswelt.

In diesen sechs Dimensionen wirkt die Digitale Transformation der Arbeitswelt erkennbar in unsere sozialen Lebensvollzüge hinein. Die digitale Welt provoziert darin gleichermaßen Chancen zur Ver-besserung wie auch neue Probleme im Alltag der Menschen. In diesem Sinne ist der Digitale Wandel nicht Ursache für einen Sozialen Wandel; oder umgekehrt. Vielmehr ist beides ineinander verschränkt, wirkt auf sich selbst zurück, treibt sich an und stellt uns als Gesellschaft insgesamt in einen stetigen Prozess der Veränderung. Was wir feststellen können ist, dass dieser Wandel mit der Digitalisierung spezifische Formen annimmt, die wir nur unter der konzertierten Beteiligung verschiedenster Akteure im Interesse von Mensch, Wirtschaft und Wohlfahrt balanciert ausgestalten können. 

Ansprechpartner

Joachim Schmitt
Technische Hochschule Aschaffenburg
ESF-Projekt mainproject digital
Würzburger Str. 45
63743 Aschaffenburg
06021 4206-746
joachim.schmitt@th-ab.de
www.mainproject.eu


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